Interview mit EU-Botschafter in Korea Michael Reiterer
Geführt von Lisa Hämmerle
Für ein Praktikum ging es von Alpbach weiter nach Seoul. Im 11. Stockwerk des Seoul Square Komplexes wartete nicht nur ein beeindruckendes Panorama der Hauptstadt Koreas auf mich, sondern auch Michael Reiterer, EU Botschafter in der Republik Korea, dessen Bekanntschaft ich bereits beim diesjährigen EFA gemacht habe.
Lisa: Herr Reiterer, welchen Bezug haben Sie zum Europäischen Forum Alpbach und worin besteht Ihre Funktion?
Reiterer: Im Jahr 1981 habe ich Alpbach selbst als Stipendiat kennengelernt. Später, im Jahr 2000, wurde ich von Busek, dem ehemaligen Vizekanzler, eingeladen, über mein Fachgebiet Handel und Umwelt zu referieren. Franz Fischler, ein guter Freund, hatte die kluge Idee, Alpbach zu internationalisieren. Die Realisierung dieser Idee wollte ich unterstützen, indem ich als korrespondierendes Mitglied des Programmkomitees tätig wurde.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Forums und für Österreich?
Dass weiterhin eine Internationalisierung betrieben wird. Alpbach ist ein bisschen provinziell geworden und soll nicht zur österreichischen Nabelschau werden. Ganz grundsätzlich müssen wir Österreich in die Welt und die Welt nach Österreich holen. Zuerst mit Fokus auf Europa und dann auf internationaler Ebene. Als EU-Diplomat interessiert mich ja nicht nur Europa, sondern das Verhältnis von Europa zur Welt.
Sie haben schon in den verschiedensten Ländern gelebt. Welche Eindrücke haben Sie durch diesen Lebensstil gewonnen?
Wenn man 3-4 Jahre in einem anderen Land lebt, dann lernt man die Kultur kennen. Dabei handelt es sich um einen ständigen Lernprozess. Wenn man im Ausland lebt, sieht man Österreich kritischer und auch, dass nicht alles Thematisierte wichtig oder richtig ist. Das, was sich oft im Kleinen abspielt, wiederholt sich in gewisser Weise auf größerer Ebene. Abgesehen davon kann man nur Diplomat sein, wenn man gerne mit Menschen zusammen ist, nicht nur das Gewohnte haben will, bereit für ein wechselndes Umfeld ist sowie dies mit Familie und Freunden vereinbaren kann.
Ohne Globalisierung würde ich heute nicht bei Ihnen im Office in Seoul sitzen. Worin sehen Sie die Vor- und Nachteile dieser?
Die Globalisierung an sich ist weder gut noch böse, sie ist ein Faktum. Gefährlich ist, wenn man das Gefühl hat, man ist der Globalisierung ausgeliefert. Man muss den Leuten zeigen, dass sie einen Einfluss haben und da muss die Politik unterstützend eingreifen. Beispielsweise durch die Handels-, Kommunikations- und Sozialpolitik, aber auch durch Bildung und Ausbildung (Erasmus, Erasmus+) kann viel zum Positiven verändert werden. Man kann durch die EU Einfluss gewinnen, denn gemeinsam ist man stärker. Es sind eher die nationalen PolitikerInnen, die sich nichts wegnehmen lassen wollen.
Während eine Annäherung zwischen Nord- und Südkorea wahrzunehmen ist, scheint die EU zu zerfallen…
Es gibt keinen Zerfall der Europäischen Union, es gibt einen Verfall des europäischen Diskurses. Wenn man so will, tragen die Populisten die Hauptschuld an diesem Dilemma. Sie erwecken den Eindruck, als hätten sie auf alles eine Antwort, welche, wenn man genau hinsieht, keine Antworten sind und sogar Konventionen brechen. Das Gegengift wäre eine Richtigstellung von falscher Information. Wichtig dabei ist aber immer, zugleich ein positives Programm zu schaffen und den Fokus nicht nur auf negative Nachrichten zu legen. Die Emotionalisierung der Populisten muss logischerweise mit einer Taktik des Gefühls auf der anderen Seite bekämpft werden.
Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Nord- und Südkorea?
Letztes Jahr gab es große Spannungen. In den letzten zehn Monaten hat sich viel getan. Die EU war von Anfang an davon überzeugt, dass es nur eine diplomatische Lösung geben kann und keine militärische. Eine zeitgleiche Synchronisation zwischen Nord- und Südkorea sowie Nordkorea und den Vereinigten Staaten muss stattfinden, inklusive einer Multilateralisierung. Um Sicherheit in dieser Thematik garantieren zu können, spielen China, Russland, Japan, Europa und die anderen Kontinente ebenfalls eine Rolle.
Welchen Rat würden Sie Ihrem jungen Ich bzw. jungen Menschen mit auf den Weg geben?
Nicht in eine Gegenreaktion, wie zum Beispiel in Populismus oder extremeren Nationalismus, zu verfallen (Beispiel für Gegenreaktion auf Globalisierung). Dabei kann Erasmus oder Tourismus den Geist öffnen, aber natürlich auch Gegenpositionen stärken. Das Einnehmen einer Außenperspektive ist und bleibt jedoch für die Weiterbildung wichtig. Ein anderer wichtiger Punkt ist das Prüfen von Quellen in sozialen Medien. Es ist erschreckend, was die Leute alles glauben und unhinterfragt lassen. Internationalisierung statt Provinzialisierung. Engagiert euch politisch – das ist im Endeffekt auch das Ziel des Europäischen Forum Alpbach, kritikfähige Leute zu bilden.