Interview mit mit Dr. Wieland Alge
geführt von David Sauerwein
Kannst du in wenigen Sätzen erklären was ihr bei Barracuda Networks macht?
Wir programmieren Softwaregeräte, welche die Kommunikation über Internet-Netzwerke sicher und vorhersagbar machen wie auch optimieren können. Dies war früher einfach. Man hat eine “Firewall” zwischen das was innen (Anm.: im Unternehmen) und das was außen ist gestellt. Damit kam von außen nichts Böses nach innen. Heute gibt es dieses “Innen” nicht mehr. UserInnen sind überall unterwegs, Daten sind in anderen Niederlassungen, in der Cloud usw. Wir müssen also heute die logische Struktur von früher wieder herstellen, obwohl die physikalische Struktur diesem Bild nicht mehr entspricht.
Wo liegt in der Digitalisierung Raum für Konflikt und Kooperation?
Die Digitalisierung unter dem Stichwort „Industrie 4.0“ bietet die Chance, sich als Unternehmen viel enger mit LieferantInnen und KundInnen zu vernetzen und damit sehr viel enger zu kooperieren. Das erzeugt aber gleichzeitig auch einen Interessenkonflikt. Du willst nicht immer wahnsinnig eng mit deinen LieferantInnen kooperieren, denn diese beliefern auch die Konkurrenz. Und du willst dich nicht indirekt zu eng mit deinen direkten KonkurrentInnen vernetzen. Du kannst dich aber auch nicht mit deinen LieferantInnen bekriegen und die Vernetzung verweigern. Darauf sind viele nicht vorbereitet. Sie meinen, dass Digitalisierung für sie gar nicht möglich ist, weil sie so stark von ihrem „industrial and intellectual property“ abhängig sind. Sie machen lieber gewisse Arbeiten von Hand, als dass sie jemandem Zugang zu den Parametern ihrer Maschinen geben.
Damit sind wir schon beim Datenschutz angelangt. Würdest du sagen, dass beim Thema Datensicherheit die Gefahr eher von großen Unternehmen, z.B. Facebook, ausgeht oder vom Staat?
Ich glaube Staaten sind problematischer in ihren konkreten Auswirkungen. Die berühmten Datenkraken wie Facebook und Co sind dahingehend problematisch, dass sie von Staaten benutzt werden können; wie es z.B. die Russen im US-Wahlkampf gemacht haben. Es ist natürlich für staatliche Geheimdienste auch interessant, solche Firmen zu infiltrieren. Die Firmen selbst unterschätzen oft ihr eigenes Gefahrenpotential, denn sie meinen es ja gut. Aber natürlich glauben auch viele Leute, dass es der Staat gut meint. Das kann auch sein; bis jemand wie Erdogan kommt und vollen Zugriff auf die Daten hat.
Neben Konfliktlinien, die sich aufgrund der Digitalisierung auftun, entstehen in unserer Gesellschaft auch andernorts neue Konflikte, z.B. aufkeimender Nationalismus. Gibt es Wechselwirkungen zwischen diesen Entwicklungen?
Die große Frage ist folgende: Schaffen wir es als Gesellschaft überhaupt disruptive technologische Transformationen so zu meistern, dass es uns nicht entlang scharfer Bruchlinien zerreißt?
Offenbar gelingt uns das momentan nicht besonders gut. Andere Bruchlinien in unserer Gesellschaft, die es schon immer gegeben hat, werden dadurch verstärkt. Es gab immer jene, die sich von der Zukunft Positives erwarten und jene, die davor Angst haben. Dabei ist es nicht immer die faktische, individuelle und materielle Bedrohung durch die Digitalisierung, die Angst macht. So wird aber vor allem von linker Seite oft der Aufstieg des Rechtspopulismus erklärt, die sagt, der Kapitalismus würde diese Menschen an den Rand drängen. Die Datenlage unterstützt das nicht. Es ist vielmehr eine emotionale Geschichte. Die Leute haben das Gefühl, das Maximum wäre erreicht. Sie sehen ihr eigenes Potential nicht und haben Angst, den Anschluss zu verlieren.
Wieland Alge, geb. 1970 in Lustenau, hat 1999 in Innsbruck in theoretischer Quantenphysik promoviert und 2000 das IT-Unternehmen Phion mitgegründet. 2007 ging Phion an die Börse. 2008 war Wieland Alge Ernst&Young Entrepreneur of the Year. Seit 2010 ist er General Manager für Europa, den Nahen Osten und Afrika für Barracuda Networks, nachdem diese die Phion AG übernommen haben.
Ist diese Angst nicht berechtigt? Im Zuge der Digitalisierung könnten immer weniger Leute immer mehr Wertschöpfung schaffen und andere bleiben auf der Strecke.
Es könnte schon passieren, dass sich die Primärwertschöpfung in Zukunft auf weniger Leute konzentriert. Die Angst davor treibt jetzt schon viele zu emotionalen, krampfartigen Reaktionen. Aber das ist mehr eine emotionale als eine rationale Geschichte. Möglicherweise reicht dann die Gesamtwertschöpfung wieder aus, um neue Dinge zu schaffen, die wir uns jetzt nicht leisten können; die jetzt komplett versnobt klingen. Welche Wohnanlage leistet sich heute einen Concierge oder einen internen Paketdienst? In Zukunft muss aber jemand die Waren zu mir bringen, wenn ich sie nicht mehr selbst im Geschäft kaufe. Viel unbezahlte Arbeit durch je- den Einzelnen kann so zu neuer, bezahlter Arbeit für Leute werden, deren alter Job aufgrund der Digitalisierung so nicht mehr existiert. Das erfordert aber natürlich auch neue Steuerkonzepte.
Wie kann die Politik den richtigen Rahmen für die Digitalisierung finden?
Wir brauchen PolitikerInnen mit Technologieausbildung, die Konsequenzen technologischer Entwicklungen für eine Gesellschaft denken können und nicht nur sagen: “Wir machen’s langsamer.” Wenn du es einfach langsamer machst, passiert trotzdem irgendwas, das du nicht steuerst.