Was bedeutet der „Spirit of Alpbach“ für dich?
Meine Faszination für die Friedens- und Konfliktforschung beruht auf deren unbegrenzten Interdisziplinarität. Auf keinem anderen Gebiet wird die Wichtigkeit und Unerlässlichkeit dieser so klar. Denn um die Ganzheit eines Konfliktes erfassen zu können, bedarf es einer Inklusion unter anderem der Geschichte, der Natur-, Sozial-, Geistes- und Sprachwissenschaften sowie der Politik und der Wirtschaft. Mit diesem Hintergrund möchte ich Alpbach aus einer holistisch-philosophischen Perspektive betrachten. Dabei liegt der Fokus auf dem diesjährigen Thema „Diversität und Resilienz“.
Ich möchte mit letzterem beginnen. Der Terminus Resilienz, der im ersten Moment vielen Alpbach-TeilnehmerInnen, inklusive mir, sehr abstrakt schien, ist am besten mit dem Begriff der Widerstandsfähigkeit zu beschreiben. Hierbei stellen sich jedoch die Fragen: „Widerstandsfähig gegen was? Gegen Diversität?“ Sich der Bedeutung von Diversität zu widmen, schien im Vergleich einfacher zu sein. Erst Diversität ermöglicht uns, Gemeinsamkeiten in der Vielfalt der Menschen und deren Umfelder zu erkennen. Nicht nur das, es ist Diversität, die den Nährboden der Resilienz erst schafft. Dies wird deutlich sichtbar, wenn wir ein Beispiel aus dem Gesundheitsbereich heranziehen: Die Gene und das Immunsystem eines Kindes, dessen Eltern einen unterschiedlichen ethnischen Hintergrund haben, sind resilienter gegen Krankheiten und Infektionen als jene eines Kindes mit Eltern gleicher Ethnizität.
Ich möchte mich jedoch noch einmal der Frage „Für oder gegen was benötigen wir Resilienz?“ widmen und sie mit Folgendem beantworten: Um auf die einzige Stabilität und Konstante unseres Lebens zu reagieren – die Permanenz der Veränderung. Wir schwelgen in einer Illusion, gezeichnet von einer Obsession, das Leben kontrollieren zu können, obwohl wir meist aus Erfahrung wissen, dass ein gesundheitlicher Schicksalsschlag, eine Umweltkatastrophe, ein unvorhergesehener Brief oder Anruf, eine Begegnung unser ganzes Leben augenblicklich verändern kann.
Schon seit geraumer Zeit beschäftige ich mich mit dem Naturzustand des Menschen, in anderen Worten mit den Fragen: „Was macht uns zum Menschen? Welche Eigenschaften haben wir gemein?“ Eine dieser Gemeinsamkeiten begegnete mir noch nie so deutlich wie in Alpbach. Viele sprechen vom „Alpbach Spirit“, von Motivation, aber der Grundpfeiler, auf dem diese aufbauen, entspringt aus folgender Kraft: die der Neugier. Wir müssen nur den ungezügelten Wissensdurst von Kindern anschauen, um diesen enormen Antrieb zu verstehen. Unverkennbar handelt es sich hierbei um eine neutrale Kraft, die weder in gutem Willen, aber vor allem auch nicht in Boshaftigkeit wurzelt. Diese Erkenntnis erfüllt mich mit Behaglichkeit und Zuversicht. Um meiner Begeisterung für die Stärke dieser neutralen Kraft, die in jedem Menschen zumindest schlummert, Ausdruck zu verleihen, möchte ich mit euch eines meiner Lieblingszitate, verfasst von Comiczeichner und Autor Walter Moers, teilen:
Die Neugier ist die mächtigste Macht des Universums, weil sie die beiden größten Bremskräfte im Universum überwinden kann:
Die Vernunft und die Angst.
Alpbach ist kein Ort, an dem Neugier gestillt wird, im Gegenteil, es ist ein Ort, an dem sie sich verstärkt und wächst. In Alpbach wird die menschliche Neugier gebündelt, um die Angst vor Diversität zu überwinden. Dadurch wird eine Resilienz geschaffen, welche es uns ermöglicht, auf die Permanenz der Veränderung zu reagieren – und zwar auf friedvolle Art und Weise.
Lisa Hämmerle
Stipendiatin 2018