Von Bandenchefs und Kapazundern

Interview mit EFA-Präsident Franz Fischler
geführt von Max-Benjamin Ellensohn

In seinem bescheidenen Büro am Schwedenplatz in Wien hat mir der Präsident des Europäischen Forum Alpbach und ehemaliger EU-Kommissar Franz Fischler ein paar Fragen beantwortet.

 

CAV: An was denken Sie, wenn Sie an Ihre Jugend denken?

Fischler: Ich bin auf einem kleinen Bauernhof aufgewachsen, in einer sehr großen Familie. Als ältester von sechs Brüdern war ich dann sozusagen der Bandenchef unter den Kindern. Ein einschneidendes Erlebnis war dann, wie ich, als mein Großvater gestorben ist, mit 14 für ein Jahr den Bauernhof übernommen habe.

Wurden damals im Bandenchef schon politische Ambitionen geweckt?

Naja, das wächst einem schon ein bisschen zu. Führungsfähigkeiten werden so automatisch eingeübt.

Wird Kurz als Bandenchef der ÖVP akzeptiert? Wird er die Macht von Ländern und Bünden zurückdrängen können?

Er ist momentan auf dem besten Weg dazu. Noch nie gab es Regierungsverhandlungen der ÖVP ohne Länderfürsten und Kammerfunktionäre. Aber diese werden schon noch ihre Machtansprüche stellen, da soll man sich keine falschen Hoffnungen machen. Bisher haben sie die Bedingungen, die der Sebastian Kurz aufgestellt hat, wohl nur akzeptiert, weil sie einsehen mussten, dass es im Falle einer erneuten saftigen Wahlniederlage das Ende der ÖVP gewesen wäre.

 

 

»Es soll eine stärkere intellektuelle Auseinandersetzung geben, um einen Schritt zurück zu gehen und so über die Zukunft nachzudenken.«

Franz Fischler

Wie sehen Sie hingegen die Verfasstheit der EU? Sind große Veränderungen absehbar?

Ein großes Problem ist, dass Beschlüsse in wichtigen Bereichen wie Sicherheits- und Außenpolitik immer noch die Zustimmung aller Mitglieder benötigen. Dies abzuändern ginge natürlich wiederum nur mit einer Vertragsänderung und solch eine große Änderung ist nicht realistisch. Somit ist es wohl erfolgsversprechender, sich der Mühen der Ebene anzunehmen und durch juristische Spitzfindigkeiten innerhalb des bestehenden Vertrags Beschlüsse auch ohne Einstimmigkeit zu fällen. Das ist möglich und das ist es, was auch Juncker in seiner Rede zur Lage Europas eingefordert hat.

Wenn aber nicht nur obstruiert wird, sondern sogar bestehende Beschlüsse gebrochen werden?

Es sollte neben einem Ausschluss aus der Union gemäß Art. 7 EU-Vertrag, welcher wie eine Guillotine wirken würde, und einem 2- bis 5-jährigen EuGH-Verfahren, in welchem lediglich eine Feststellung getroffen wird, neue Instrumentarien zur Sanktionierung geschaffen werden, beispielsweise zur Einbehaltung von Förderungen.

Könnte zumindest innerhalb der Europäischen Volkspartei Druck auf Orbán ausgeübt werden?

Also ich bin der Meinung, diese hätte den Orbán schon längst ausschließen sollen.

Wie soll Alpbach mit Populismus umgehen?

Alpbach soll auf solche Dinge sehr offen zugehen und tatsächlich auch unterschiedliche Positionen diskutieren und darstellen. Auch konfrontative Diskussionen führen, um sich ein Bild zu machen, wie die verschiedenen Seiten ticken.

Aber warum sieht man dann keine FPÖ-Politiker auf dem Podium?

Ich könnte jetzt sagen: Vielleicht sind sie einfach nicht profiliert genug. Wenn wir in erster Linie europäische Themen diskutieren, sehe ich nicht viele in der FPÖ, die hierzu imstande wären. Und in Wahrheit haben sie auch gar kein Interesse. Geert Wilders beispielsweise haben wir erfolglos versucht einzuladen.

Unabhängig davon ist es aber wahrscheinlich wichtiger, politische Innovationen zur Diskussion zu stellen.

Gibt’s geplante Innovationen für das Forum?

Durchaus. Wir werden die Baukulturgespräche nicht mehr machen, die Bildungsgespräche werden stärker verbunden mit der Seminarwoche und bei den Wirtschaftsgesprächen werden wir intensiv eine Internationalisierung versuchen. Eine echte Innovation gibt es, damit nicht nur immer tagespolitische heiße Eisen technokratisch besprochen werden: Wir haben uns überlegt, dass es auch ein Fundament für all dies braucht. Das heißt, eine stärkere intellektuelle Auseinandersetzung, um einen Schritt zurück zu gehen und so über die Zukunft nachzudenken. Dafür werden wir für einen Tag einem intellektuellen Kapazunder die Möglichkeit geben, als Gastgeber aufzutreten und auch selbst Gäste auf seinem Niveau einzuladen, darunter Philosophen, Künstler und Literaten.

Robert Menasse, dem für seinen Europa-Roman gerade der Deutsche Buchpreis verliehen wurde?

(zögert) … ist ein möglicher Gast.

 

 

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